Erhängen ist die am häufigsten
auftretende Strangulationsform.
Strangulationen
Definition Unter Strangulation versteht man das Zusammendrücken des
Halses. Strangulationen können zustande kommen allein unter
Einsatz körperlicher Kräfte, unter Nutzung des eigenen Körpergewichts,
teilweise unter Zuhilfenahme bzw. Einwirkung von Werkzeugen
bzw. Vorrichtungen.
Folgende Strangulationen sind
zu unterscheiden:
Erhängen
Drosseln/Erdrosseln
Würgen/Erwürgen
Halskompression durch
Unterarmgriff („Schwitzkasten“)
andere seltene Formen von
Halskompressionen (z. B. Aufknien, Fußaufsetzen).
Erhängungsvorgänge, ausgenommen
dosiertes Beinahe-Erhängen und vereinzelt überlebte Erhängungsversuche,
führen fast immer zum Tod. Alle anderen Strangulationsarten werden
meist überlebt.
Bei Obduktionen von allen
Strangulationsfällen ist stets eine Präparation der vorderen
Halsmuskulatur in„künstlicher Blutleere“ erforderlich.
Dabei können einerseits vorhandene Weichteilblutungen sehr gut
dargestellt werden, anderer seits werden Blutungsartefakte vermieden.
Erhängen
Definition Erhängen ist eine zum Tod
führende Halskompression
mittels eines Strangulationswerkzeugs, meist eines Strangwerkzeugs, das durch das eigene Körpergewicht belastet wird.
Erhängen ist
in Deutschland die häufigste Suizidmethode. Bei einem geringen Anteil der
Erhängungsfälle handelt
es sich um autoerotische Unfälle. Autoerotik durch
Beinahe-Erhängen
praktizieren ausschließlich Männer. Sehr selten erfolgt Erhängen
durch fremde
Hand oder ein andersartig Ge töteter wird zur
Verschleierung der Tötung in eine
Erhängungssituation gebracht, um einen Suizid vorzutäuschen. Daher ist bei der Untersuchung
Erhängter generell
auf evtl. Festhalteverletzungen an den Armen bzw. auf Spuren sonstiger Gewalteinwirkung zu
achten.
Strangulations-/
Strangwerkzeuge
Praktisch
kommen vor:
Strangartige Werkzeuge
runder Querschnitt: Vom
Schnürsenkel bis zum Tau finden sich alle
Durchmesser.Zudem werden auch Kabel oder Drähte verwendet.
anderer Querschnitt: Häufiger
werden Strangulationen mit Gürteln oder Gurten beobachtet, seltener mit
Ketten.
Kleidungsstücke
und sonstige WäscheGelegentlich werden
Kleidungsstücke, Bettwäsche, Handtücher und andere Textilien benutzt.
Feste Gegenstände Ausnahmsweise
kann es zum Erhängen in Astgabeln, an Stuhllehnen, an Bettgittern im
Rahmen von Fixierungen oder an Wasch- und
Toilettenbeckenkanten kommen. Strangartige
Werkzeuge bzw. Kleidungsstücke und andere Textilien können ein-,
zwei-oder mehrtourig um den Hals verlaufen. Meist
wird eine Schlinge gebildet, wobei geschlossene von offenen Formen zu
unterscheiden sind. Geschlossene Schlingen sind direkt am Hals
verknotet und können sich bei Belastung zuziehen. Letztere werden auch
als „laufende Schlingen“ bezeichnet. Offene Schlingen verlaufen nicht
eng um den Hals, die Schlinge muss nicht einmal zirkulär um den Hals
laufen, z. B. beim Erhängen an einem gespannten Seil oder an einem
eingehängten Duschschlauch. In diesen Fällen werden durch das
Strangulationswerkzeug nur der Mundboden bzw. vordere und seitliche
Halspartien komprimiert.
Auffindungssituationen
Grundsätzlich sind zwei Situationen zu
unterscheiden:
Typisches
Erhängen Der Leichnam hängt, ohne mit den Füßen
auf dem Boden aufzusetzen, d. h. es besteht freie Suspension, und die
Verknotung des Werkzeugs befindet sich genau in Nackenmitte. In dieser
Situation wird man in der Nähe des Toten eine Steighilfe erwarten. Das
Charakteristische am typischen Erhängen ist, dass es praktisch fast nie
vorkommt.
Atypisches
Erhängen Der Leichnam hängt, hat aber mit den
Füßen bzw. anderen Körperregionen Kontakt zum Boden oder zu
Gegenständen. Auch wenn die Verknotung nicht in der Mitte des
Nackens sitzt, wird die Situation als atypisches Erhängen bezeichnet. Mehr
als 95 % aller Erhängten werden in dieser Situation aufgefunden. Dabei
kommen auch sitzende oder liegende Positionen vor.
Abb. 1: Atypisches
Erhängen
Untersuchungsbefunde
Äußere
Untersuchungsbefunde
Petechien
in Konjunktiven und Lidhäuten:
Sie fehlen beim typischen Erhängen oder sind bestenfalls vereinzelt
vorhanden. Beim atypischen Erhängen werden sie regelmäßig, teils auch
sehr zahlreich gefunden.
Petechien
in der
Mundschleimhaut und
Gesichtshaut: Beim typischen Erhängen kommen sie fast nie vor, beim
atypischen können sie sehr zahlreich sein und es ist sogar
ein Stauungssyndrom möglich
Selbstrettungszeichen
: Selten sind die Finger zwischen
Schlinge und Halshaut eingeklemmt, was als Ausdruck
vonSelbstrettungsversuchen
gedeutet wird.
Schürfungen:
Sie können
an den Handrücken, Arm außenseiten, gelegentlich auch
an den Beinen vorhanden sein. Die Schürfungen entstehen im Krampfstadium
durch Anschlagen des Körpers an in der Nähe befindliche Gegenstände
und weisen meist kein Begleithämatom auf. Sie sind von
Schürfungen, die beim Abnehmen oder Transport des
Leichnams entstanden sind, nicht zu unterscheiden.
Nach-vorn-Verlagerung
der Zunge: Wenn
das
Strangulationswerkzeug deutlich über dem Kehlkopf verläuft,
wirdder
Zungengrund gegen den Rachen gedrückt,
sodass die Atemwege verschlossen sind. Die Zunge wird oft eöffneten
Mund nach vorn gedrückt. Es handelt
sich um kein Vitalitätszeichen.
Strangmarke
: Sie entsteht
durch die Schürfung
bzw. Kompression des
Strangulationswerkzeugs. Die Marke weistfast
nie
begleitende Weichteilblutungen auf und ist daher auch nicht
als Vitalitätszeichen anzusehen. Sie kann Eigenschaften des
Werkzeugs wiedergeben, z. B. den Durchmesser bzw. die Breite
und das Oberflächenrelief, d. h. die Windungen eines
Seils oder die Löcher eines Gürtels. Je rauer die
Oberfläche, desto schneller vertrocknet die Strangmarke und
wird bräunlich. Sie kann tief in die Haut
einschneiden und
wird
dann auch als Strangfurche bezeichnet.
Der Verlauf einer Strangmarke beim Erhängen ist
fast immer ansteigend und es kann ein höchster Punkt rekonstruiert
werden, an dem sich bei geschlossenen Schlingen häufig der Knoten
befindet.
Zwischenkammblutungen:
Sie entstehen durch
das Auspressen von Blut in
Hautfalten, die sich zwischen den einzelnen
Touren eines Strangulationswerkzeugs bilden
können. Sie sind somit kein
Vitalitätszeichen.
Speichelabrinnspuren
aus dem Mund: Auch
bei Verstorbenen
anderer Todesursache kann in
„stehender“ bzw. hängen
der Position Speichel aus der Mundhöhle
abfließen. Es ist
nicht sicher,
dass es durch die mechanische Reizung
der Speichel drüseninnervation zum
„erhängungsspezifischen“
Speichelfluss
kommt.
Innere
Untersuchungsbefunde
Frakturen
des Kehlkopfs, besonders der
Schildknorpelhörner und der Zungenbeinhörner: Die
Frakturen der oberen Schildknorpelhörner
kommen nur vor,
wenn das Strangwerkzeug über die obere
Kehlkopfpartie verläuft. Bei Jüngeren, mit noch elastischem Kehlkopf,
sind sie seltener vorhanden. Nur
eine kräftige umgebende Weichteilblutungn spricht
für eine vitale Entstehung.
Abb. 2: Frakturen
beider oberer Schildknorpelhörner infolge von
Erhängen. Rechts kräftige Einblutung in
den Bruchspalt
Ursprungsblutungen
der Mm. sternocleidomastoidei: Sie
finden sich klavikulär-subperiostal
und sind als vitale Reaktion anzusehen.
Zwischenwirbelscheibenblutungen:
Sie
sind in den ventralen Anteilen der Disci
intervertebrales der unteren Brust- sowie
der Lendenwirbelsäule lokalisiert und
sollen im Krampfstadium entstehen. Die
Blutungen können v.a. bei freier
Suspension jüngerer Personen beobachtet werden.
Der Befund ist nur bei frischen
Leichen als Vitalitätszeichen verwertbar,
weil er durch hämoglobin-bedingte
Verfärbungen der Disci bei Fäulnis
vorgetäuscht werden kann.
Akutes
Lungenemphysem: Es kanngelegentlich
beobachtet werden.
„Innere
Strangmarke“: Sie kann sich postmortal
als brauner Streifen im Unterhautfettgewebe ausbilden,
entsprechend dem
Verlauf der äußeren Strangmarke. Der
Befund entsteht v. a. durch einen Vertrocknungseffekt
der Haut, der bis in das
dünne Unterhautfettgewebe der Halshaut
reichen kann.
Frakturen
der oberen Halswirbelsäule: Brüche
des Dens axis oder andere Halswirbelsäulenfrakturen treten
meist nur auf,
wenn der Körper in ein Strangwerkzeug gestürzt
ist, aber auch dann eher seltener.
Zusammenfassung
Erhängen
ist die weitaus häufigste Strangulationsform. Beim
Erhängen handelt es sich fast immer um so genannte atypische Erhängungssituationen.
Bei der Leichenschau
bilden vor allem Petechien der Konjunktiven und der Lidhäute
den wesentlichen Hinweis für die Vitalität von Strangulationen durch
Erhängen.